25. August 2019
Kaum ein Bereich in der Arbeitswelt unterliegt so häufig der Gefahr von fatalen Fehleinschätzungen wie das IT-Projektmanagement. Das gilt insbesondere für die Umsetzung größerer IT-Vorhaben in Verwaltungen und Unternehmen. Denn speziell bei der Umsetzung von Softwareprojekten können Budgets falsch kalkuliert und Aufwände unterschätzt werden. Um diese Fehler zu vermeiden, sollten Entscheider einige Aspekte berücksichtigen.
Schon der Titel beschreibt das zentrale und zugleich erschreckende Resultat einer Studie des amerikanischen Software-Anbieters Geneca aus dem Jahr 2017 auf eindrückliche Weise: „Doomed From the Start? Why a Majority of Business and IT Teams Anticipate Their Software Development Projects Will Fail“. Und die darin beschriebenen Zahlen dokumentieren nicht weniger deutlich, wie wichtig es ist, den Fokus heute auf ein gutes IT-Projektmanagement zu setzen. Gemäß der Studie äußerten 75 Prozent der 600 befragten IT-Verantwortlichen und Geschäftsleute, dass ihre Projekte immer oder zumeist zum Scheitern verurteilt seien – und zwar von Projektbeginn an. Ergänzend dazu waren 55 Prozent der Meinung, die Geschäftsziele ihrer Projekte seien nicht klar definiert.
Ein fehlerhaftes Projektmanagement ist für die Projektbeteiligten nicht nur äußerst frustrierend – es ist zudem auch kostspielig. Das unterstreicht unter anderem die Analyse der Hertie School of Governance, die 170 öffentliche Großprojekte untersucht hat. Ergebnis: Im Durchschnitt lagen die Kosten bei den beendeten Projekten bis zu 73 Prozent über dem Plan. Besonders im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie gab es zum Teil extreme Ausschläge. Hier lagen die Kostenüberschreitungen bei fast der Hälfte der untersuchten IT-Projekte bei über 200 Prozent.
10 Millionen Euro waren für die Instandsetzung der Gorch Fock eingeplant, innerhalb von sechs Monaten sollte das Segelschulschiff wieder seetauglich sein. Fast vier Jahre später liegen die Kosten bei 135 Millionen.
Bildquelle: Felix Koenig (Creative Commons Lizenz, Originalbild)
Sind IT-Projekte angesichts jener erschreckenden Zahlen stets ein hoffnungsloses Unterfangen? Mitnichten. Sofern die wichtigsten Kerndisziplinen des Projektmanagements im IT-Bereich berücksichtigt und sowohl bei der Planung als auch Durchführung bestimmte Regeln befolgt werden, lassen sich deutlich positivere Ergebnisse erzielen.
Das fängt bereits bei der Definition des Projektziels an. Häufig ist sich der Kunde über seine genauen Wünsche und Ziele nicht wirklich bewusst oder formuliert sie allzu vage. Im Rahmen eines detailliert ausformulierten Anforderungskatalogs, in Verbindung mit einem für beide Seiten verbindlichen Pflichtenheft, werden das Projektziel konkret beschrieben, eine Ist-Analyse vorgenommen sowie die einzelnen Schritte der Projektumsetzung skizziert. Dies schafft eine wichtige Verbindlichkeit im Vorfeld des Projektstarts, besonders bei der Budgetplanung und Festlegung der personellen Ressourcen.
Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Realisierung eines kontinuierlichen Risikomanagements, das an die jeweiligen Gegebenheiten des Projekts angeglichen wird. Dazu gehören die Identifikation und die Bewertung möglicher Risiken, die von personellen Ausfällen über den Datenverlust von Planungsdokumenten bis zum Absturz der IT-Infrastruktur reichen können. Die Berücksichtigung möglicher „Gefahrenquellen“ für eine erfolgreiche Projektrealisierung bietet die Chance, überhöhte Erwartungshaltungen zu dämpfen und zugleich eine Sensibilität gegenüber möglichen Unwägbarkeiten zu schaffen.
Der Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) dürfte noch auf Jahre hinweg ein wunderbares Beispiel für die Folgen eines misslungenen Projektmanagements abgeben. Der ursprüngliche Eröffnungstermin war Juni 2012(!).
Bildquelle: Robert Aehnelt (Creative Commons Lizenz / Originalbild)
Unverzichtbar für das Gelingen eines IT-Projekts ist zudem die Kommunikation – eine (leider gern vernachlässigte) Selbstverständlichkeit, wie eine Studie der Münchener Unternehmensberatung Atreus belegt. Das Unternehmen befragte 754 Manager in ihrer zentralen Funktion als Projektleiter. Stolze 85 Prozent bewerteten hiernach Kommunikation als sehr wichtig, 12,6 Prozent als eher wichtig. Eine Mehrheit der Befragten erkennt zudem den Punkt „strategische Neuausrichtungen“ während des Projektverlaufs als besonders erfolgskritischen Punkt rund um die interne Kommunikation. Kurzum: Die zeitnahe und regelmäßige Verbreitung von Informationen an die Projektbeteiligten stellt eine elementare Grundlage erfolgreicher Projektarbeit dar. Unterstützen können hier einfache Hilfsmittel wie akribisch geführte Dokumentationen, mit denen die Ergebnisse aus Meetings, persönliche Abmachungen sowie die Erreichung von Etappenzielen bzw. einzelnen Meilensteinen fein säuberlich protokolliert und archiviert werden können. Stakeholder und die weiteren Projektverantwortlichen müssen dafür Sorge tragen, dass alle Beteiligten stets den gleichen Wissensstand haben – und auf diese Weise die Arbeitsmotivation aufrecht erhalten bleibt.
Ein wenig verschätzt hat sich die Bundesregierung auch bei der Einführung des Lkw-Maut-Systems „Toll Collect“ (nicht im Bild): Mit Mehrkosten von stolzen 6,9 Milliarden Euro wurde das Projekt schließlich um 1150 Prozent teurer als geplant.
Und dann wäre da noch die bereits erwähnte Kostenkalkulation. Wie wohl bei allen Großprojekten wird nur im seltenen Fall der finanzielle Spielraum, der anfangs veranschlagt wurde, tatsächlich eingehalten. Das führt dazu, dass Materialkosten in der Regel zu niedrig und Manntage nicht hoch genug eingeschätzt werden. Zudem fließen mögliche Änderungen des Leistungsumfanges nicht rechtzeitig in das Gesamtbudget ein. Umso wichtiger ist es, zum Beispiel auf Grundlage des Design-to-Cost-Modells angesichts der entsprechenden Rahmenbedingungen eine realistische Einschätzung der anfallenden Kosten vorzunehmen. Diese umfassen nicht nur die Technik und den Einsatz von Entwicklern und Projektmanagern, sondern schließen zudem das gesamte Portfolio an Tools und Aufgaben rund um das Projekt selbst mit ein: die Erstellung von Anwenderhandbüchern und Zeichnungen, Reisekosten, Schulungen und vieles mehr.
Fazit: Ein gutes IT-Projektmanagement verlangt heute nach mehr als dem obligatorischen Kick-off-Meeting und einem groben Projektplan. Ein konsequenter und regelmäßiger Austausch unter den Projektbeteiligten sowie die klare Strukturierung des Projektverlaufs unter Einbeziehung potenzieller Risikofaktoren und einer realistischen Kostenkalkulation sind die zentralen Maßgaben für einen Projekterfolg. Im Übrigen gilt hier wieder einmal das Parkinsonsche Gesetz: „Arbeit pflegt sich so auszudehnen, dass sie jeden für sie verfügbaren Zeitraum ausfüllt.“
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