26. Januar 2021
Schon ein halbes Jahrzehnt lang pflegen wir mit Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Bank, eine liebgewonnene Tradition: Am Anfang eines jeden Jahres treffen wir uns zu einem gemeinsamen “Blick in die Glaskugel” und diskutieren über die deutsche Wirtschaft, die Digitalisierung und weitere spannende Themen. Auch dieses Jahr war der Wirtschaftsexperte wieder bei uns zu Gast – selbstverständlich mit dem gebotenen Abstand.
Seit März 2013 ist Carsten Brzeski Chefvolkswirt für Deutschland und Österreich der ING Bank. Er ist seit Anfang 2008 Mitglied des Research Teams der ING Bank und anerkannter Experte für wirtschaftliche und politische Entwicklungen in Deutschland und Europa, einschließlich der Geldpolitik der EZB. Seine Arbeit als Chefvolkswirt vergleicht er gern mit der eines Meteorologen – schließlich müssen auch Vorstände, Bankkunden und Entscheidungsträger wissen, ob sie sich wirtschaftlich auf Regen oder Sonnenschein einstellen müssen. Das erfordert Expertise in Konjunktur- und Finanzmarkthemen sowie Themen wie der Zinslage, Wechselkurse und Arbeitslosigkeit.
Als Bank ohne Filialen ist die ING-Diba eine digitale Bank. Doch auch persönlich hat Brzeski das Papierzeitalter hinter sich gelassen. Ob Nachrichten oder Geschäftstermine – Brzeski setzt auf Smartphone und Computer und lebt ausschließlich digital. Digitalisierung ist für unseren Gesprächspartner auch kein reines Mittel zu mehr Bequemlichkeit oder Effizienzsteigerung. Neue Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle, die früher nicht vorstellbar waren, sind heute Realität. Banken müssen persönliche Beratung vor Ort in digitale Produkte übersetzen und dabei genauso verständlich sein.
“Das Internet ist für uns alle Neuland” – so hat Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einer Pressekonferenz auf eine Frage nach dem Überwachungsprogramm Prism geantwortet. 2013 hat die Aussage für Diskussion, aber auch Spott gesorgt. Sieben Jahre später stellt sich die Frage: Wo stehen wir nun? Sind wir der Vision eines Digitalen Deutschland nähergekommen? Für Brzeski ist die Sache klar: Es haben sich viele Bereiche verändert und verbessert, doch vor allem im Vergleich zum Ausland befinden wir uns in Sachen Digitalisierung nach wie vor im Neuland. Digitale Behördengänge, Internetgeschwindigkeit, Home Schooling – Deutschlands direkte Nachbarstaaten haben uns in diesen Themen den Rang abgelaufen. Brzeski fordert eine bessere Infrastruktur und Unternehmen, die sich auf Digitalisierung einlassen und sie nicht nur als Effizienzgewinn für Automatisierung und Rationalisierung sehen, sondern als Möglichkeit, neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln.
Die Corona-Pandemie hat viele strukturelle Entwicklungen enorm beschleunigt. Um weiterhin im Weltmarkt Schritt zu halten, müssen Unternehmen lernen, die Krise als Chance für Investitionen zu sehen. Gibt es veraltete Infrastruktur? Sind die Mitarbeiter für digitale Anwendungen geschult? Berücksichtigt das aktuelle Geschäftsmodell den Wandel von “besitzen” zu “shared economy”, also von Produkt zu Dienstleistung? Bei aller Kritik bleibt Carsten Brzeskis Ausblick jedoch optimistisch: Vor allem in der zweiten Jahreshälfte rechnet er mit einem Aufschwung, der sogar globale Dimensionen annehmen könnte.
Warum er positiv in die Zukunft blickt und welche Chancen er für Deutschlands Digitalisierungskurs sieht, erfahren Sie in unserem spannenden Vodcast, das wir anlässlich unseres Jahrestreffens mit dem Chefvolkswirt der ING Bank produziert haben. Wir bedanken uns bei Carsten Brzeski für die wie immer spannenden Gespräche und die lebendigen Interviews.
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