28. Juni 2021
Der Digitalisierungsdruck ist inzwischen in der Pharmabranche angekommen. Die großen Konzerne sehen sich der Innovationsfreude und Investitionsgier von jungen Start-Ups, aber auch den Eroberungsfeldzügen großer Tech-Konzerne wie Google, Amazon, Facebook oder Apple ausgesetzt. Neue Geschäftsmodelle sind gefragt, die den besonderen Herausforderungen langfristig entgegenwirken, ungeachtet der öffentlichen Aufmerksamkeit, die dem Pharmawesen durch die Corona-Pandemie zuteil wurde. Wie läuft die Digitalisierung in der Pharmaindustrie?
Regulatorische Beschränkungen, hoher Kostendruck sowie steigende Erwartungen an die effiziente Entwicklung neuer pharmazeutischer Produkte decken nur einen Teil der aktuellen Problemfelder ab. Vor allem sieht sich die milliardenschwere Branche den Disruptionen durch die digitale Transformation ausgesetzt. Mehr Agilität ist gefragt, eine stärkere globale Vernetzung (zum Beispiel in der Forschung) und der Einsatz neuer Technologien, um Patientenbedürfnisse stärker in den Mittelpunkt zu stellen und intelligenten Medizinprodukten auf den Markt zu verhelfen.
Dabei spielen Trends wie Cloud Computing, Künstliche Intelligenz und Big Data bei den weltweit größten Pharmakonzernen im Rahmen ihrer Digitalisierungsstrategien längst eine große Rolle – und sie arbeiten hierfür vorwiegend an Partnerschaften mit anderen Tech-Riesen:
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Doch die Digitalisierung in der Pharmaindustrie findet nicht nur im globalen Zusammenhang einer Pandemie-Bekämpfung statt. Sie zieht sich auch durch alle weiteren Ebenen der Gesundheitsvorsorge – vor allem bei der gezielten Behandlung von Menschen mit den unterschiedlichsten Krankheiten und deren Versorgung mit Wirkstoffpräparaten.
Hier sieht sich die Branche vor elementaren Herausforderungen, die sie durchaus selbst zu verantworten hat: Seit 1970 erhöhte sich in Deutschland die Lebenserwartung um zehn Jahre, hierdurch stieg auch die Zahl der Menschen mit altersbedingten chronischen Erkrankungen. Behandlungen dauern dadurch länger und sind kostspieliger. Zugleich gelten gerade in Europa besonders hohe regulatorische Anforderungen an jede Medikamentenzulassung. Die Kosten für Forschung, Entwicklung und Produktion sind entsprechend hoch.
Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die gestiegenen Ansprüche der Behandelten an eine individuelle therapeutische Betreuung seitens der Mediziner. Nicht zuletzt auch bedingt durch das erhöhte Informationsbedürfnis des Patienten, der sich dank Google häufig genug einen differentialdiagnostischen Vorsprung gegenüber dem ärztlichen Befund zu erkämpfen glaubt. Personalisierung statt Massenmedizin lautet deshalb das Motto, unter dem die pharmazeutische Industrie auch den digitalen Wandel in ihren Geschäftsfeldern vorantreiben will.
Im Rahmen dieses permanenten Strukturwandels muss sich die Pharmabranche selbst laufend erneuern, um den Anschluss nicht zu verpassen.
Doch was sind nun die wichtigsten Eckpfeiler von Pharma 4.0?
Auf Basis von Blockchain-basierten Planungs- und Trackingsystemen ist es heute möglich, die Planung und Sicherheit von Arzneimitteltransporten optimal zu dokumentieren. Wann immer Probleme im Zusammenhang mit Lieferketten und Transportwegen auftreten, lassen sich diese umgehend feststellen und analysieren – ähnlich wie das Dashboard-System von Pfizer. Auch Fälschungen von Medikamenten, die laut OECD-Schätzung bis zu 3,3 Prozent des weltweiten Absatzes ausmachen, lassen sich mit der Krypto-Technologie effektiver vorbeugen. Insgesamt betrachtet liegt das Potenzial für das sogenannte Supply Chain Management im Milliardenbereich.
Intelligente Medizinprodukte sind gefragt, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen, vor allem in der präventiven Diagnostik. Mit Hilfe virtueller Assistenten werden Verbraucher bei einem gesunden Lebenswandel unterstützt, sie protokollieren Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten und übernehmen zuweilen sogar die Frühdiagnostik beim Auftreten erster Krankheitssymptome. Zugleich werden die Informationen für die Optimierung der pharmazeutischen Produktionsprozesse genutzt, um auf Grundlage riesiger Datensätze Wirkstoffe besser anpassen, Herstellungsprozesse optimieren und nicht zuletzt den Vertrieb der Arzneien stärker auf die Zielgruppen fokussieren zu können. Der stark wachsende Markt von Smart Medical Devices, mit denen sich Vitalwerte von Diabetikern protokollieren oder schwere Anfälle von Asthmatikern voraussagen lassen können und die hierfür eine enorme Fülle von Patientendaten zusammentragen, zeigt das Potenzial der Data Analytics für den Gesundheitsmarkt. Und der Digitalisierung in der Pharmaindustrie generell bei der Datenverarbeitung.
In diesem Zusammenhang wird auch Künstliche Intelligenz die Pharmazie in den nächsten Jahren revolutionieren, über die Überwachung von Krankheiten hinaus. Technologien werden heute schon für die Früherkennung eingesetzt und damit zu einem wesentlichen Faktor für die Kosteneinsparung. So zeigen klinische Studien, dass man anhand der Gesundheitsdaten von Zweijährigen deren Risiko für eine spätere Adipositas-Erkrankung ermitteln kann. Ähnliche Erfolge gibt es im Hinblick auf eine Früherkennung von Demenz. Rechtzeitig erkannt, ließen sich durch entsprechende therapeutische Maßnahmen bis zu acht Milliarden Euro innerhalb von zehn Jahren einsparen. (Quelle: pwc)
Ungeachtet der enormen Fortschritte steht die Pharmazie vor der Aufgabe, die Vorteile datengetriebener Tools als Teil der digitalen Transformation mit den ethischen Fragen ihrer „humanen“ Anwendung in eine Balance zu bringen. KI-Technologien können Daten auswerten, diese jedoch nicht dem Patienten erklären. Augmented Reality vermag Produktionsabläufe zu optimieren, doch haftet in der Regel nicht im Fall schwerwiegender Pannen. Denn trotz des Aufbruchs in die digitale Zukunft der Pharmazie steht letztlich, abseits aller Trends, vor allem einer immer noch im Mittelpunkt jeder Behandlung und jedes Impfstoffs: der Mensch.
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