30. Juli 2020
Die Arbeitswelt steht durch die Digitalisierung vor enormen Herausforderungen. Bemerkbar macht sich das besonders in den Berufsschulen und Lehrbetrieben. Dabei zeigt sich erneut, wie sehr Deutschland nicht nur mit der Ausbildung seiner zukünftigen Fachkräfte fremdelt – sondern auch mit einer digitalen Strategie.
Während hierzulande in den letzten Wochen und Monaten coronabedingt der Blick besonders auf die Situation in den Kindergärten und Grundschulen gerichtet wurde, schien die Lage in der Berufsausbildung zuletzt eher weniger im Fokus zu stehen. Dabei hatten auch die Berufsschulen und Ausbildungsbetriebe in erheblichem Maße mit der Pandemie zu kämpfen: Hygienekonzepte und Abstandsregelungen mussten umgesetzt werden, Lehrlinge wurden für längere Zeit nach Hause geschickt.
Die weltweite Krise beleuchtete nur umso deutlicher, was zuvor beharrlich ignoriert wurde: Deutschland steht in Sachen Digitalisierung seiner Ausbildungsstätten recht bescheiden da. Gründe und Zahlen hierfür liefert unter anderem eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Zusammenarbeit mit dem „Netzwerk Q 40“. Die gute Nachricht vorweg: 85 Prozent der befragten Unternehmen setzen bereits digitale Lernangebote für die duale Ausbildung ein. Hierzu gehören Wikis und Wissensbibliotheken genauso wie Webinare und Online-Tutorials.
Konkrete Strategien für eine ganzheitliche wie nachhaltige Digitalisierung in den jeweiligen Ausbildungsbereichen sind hingegen noch nicht die Regel: Gerade einmal 36 Prozent der ausbildenden Unternehmen haben sich bisher intensiv damit auseinandergesetzt. Und etwa 44 Prozent waren der Meinung, ihre Ausbilder hätten im Bereich der digitalen Fachkompetenz erheblichen Nachholbedarf. Besonders die Industrie – mit der Baubranche an ihrer Spitze – macht hier keine sonderlich gute Figur.
Das ist fatal angesichts der fortschreitenden Transformation in den meisten Wirtschaftsbereichen, die den – einst als Industrie 4.0 proklamierten – Start ins Technologiezeitalter lange Zeit hinausgezögert haben, nun jedoch das Tempo sichtbar anziehen. Längst kommen in der Fabrikhalle Robotik, Künstliche Intelligenz und Machine Learning zum Einsatz, komplexe Fertigungsprozesse werden auf Basis von Cloudspeichern und Kommunikationssystemen angetrieben. Im Gegensatz dazu stehen jene Trainees, die vergeblich nach dem neuesten Betriebssystem für ihr Firmen-Notebook fragen oder sich mit veralteten Baugeräten und Anlagen auseinandersetzen müssen.
Kompetenzdefizite bei den Ausbildern, personelle Unterbesetzung sowie fehlende Strategien rund um die digitale Modernisierung des Lehrangebots an den Ausbildungsplätzen dämpfen die Attraktivität für zukünftige Berufsanfänger – der Zuspitzung des Fachkräftemangels von morgen wird damit der Weg geebnet. Eine fehlende Digitalisierungsstrategie verschärft die Situation.
Dabei hat der DGB bereits 2019 in seinem Ausbildungsreport darauf hingewiesen, wie viel Wert Lehrlinge und Auszubildende heute auf moderne Arbeitsmittel legen. Vier Fünftel der 2.200 befragten jungen Leute erachteten Digitalisierung und Automatisierung an ihrem Ausbildungsplatz als wichtig oder sehr wichtig. Aber gerade einmal 54 Prozent der Jugendlichen sind der Auffassung, dass sie auf die Nutzung digitaler Technologien ausreichend vorbereitet werden. Dafür sollten mobile Endgeräte, internetgestützte Lern- und Kommunikationsplattformen sowie glasfaserbasierte Breitbandnetze zur Grundausstattung eines jeden Ausbildungsbetriebs gehören.
Wie die digitale Zukunft der vielgeschmähten Bauwirtschaft aussehen könnte, zeigt sich eindrucksvoll an einem Beispiel aus dem hessischen Marburg: Im dortigen Bildungszentrum dürfen Azubis Schaufelbagger mit Sand füllen und tonnenschwere Laster beladen. Ganz einfach per Controller und virtuell – mit Hilfe eines „Baggersimulators“.
Nutzen und Spaß müssen sich auch bei der Wahl des Ausbildungsplatzes nicht gegenseitig ausschließen. Erst recht nicht, wenn zusätzlich Digitalkompetenzen geschult werden können – auf beiden Seiten.
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