23. Oktober 2020
An das Smartphone in der Tasche hat sich inzwischen jeder gewöhnt: Nachrichten, E-Mails, soziale Netzwerke – all das befindet sich in Griffweite. Doch die Nutzung von weiteren Smart Gadgets wie der Smartwatch nimmt zu, und damit auch die Vernetzung.
Mal eben die samstägliche Laufstrecke als Karte aufzeichnen oder die Vitaldaten vom Workout: Mit der Smartwatch am Handgelenk kann man nicht nur seine Aktivitäten verwalten, sondern auch sein Leben optimieren. Voraussetzung dafür ist in den meisten Fällen die Einbindung in die Cloud, wo die Daten gespeichert und ausgewertet werden. Wir wollen an dieser Stelle gar nicht über Datensicherheit sprechen und die Frage stellen, ob eine europäische Cloud eine Lösung wäre. Denn wenn man einen Fitnesstracker benutzt, muss man zwangsläufig einwilligen, dass persönliche Daten auf einem Server in Übersee landen.
Aber wer seine Gesundheit mit einem technischen Gadget analysiert, sollte sich zumindest darüber im Klaren sein, dass Unternehmen und Geheimdienste mitlesen können. Doch es ist eben so praktisch, seine sportlichen Aktivitäten zu messen, einen Überblick über zurückgelegte Kilometer zu erhalten und Fortschritte zu sehen, Mails und WhatsApp-Nachrichten am Handgelenk zu lesen und zu beantworten oder zum nächsten Lied zu springen. Mit einem solchen Gadget ist es wie mit einem privaten Auto: Nach einer gewissen Zeit will man nie mehr darauf verzichten.
Gleiches gilt für den Staubsaugerroboter: Die tägliche Reinigung in Abwesenheit (seit verstärkter Anwesenheit durch Homeoffice eventuell weniger häufig) gehört häufig zu den liebgewonnenen Gewohnheiten. Den Roboter trägt man zwar in den seltensten Fällen mit sich herum, aber auch der funkt gerne mal eine Karte der Wohnung oder des Hauses an einen Server in China. Vom smarten Lautsprecher, mit dem man auf Zuruf Musik abspielen und Informationen aller Art erhalten kann, einmal ganz abgesehen. Aber deshalb darauf verzichten? Weil eventuell mit unseren Daten jemand Schindluder treiben könnte? Wohl eher nicht. Vielleicht geht es uns so wie mit der Waschmaschine: Dass diese auslaufen und die ganze Wohnung unter Wasser setzen könnte, ist eine solch abstrakte Gefahr, dass wir sie in Kauf nehmen für die große Annehmlichkeit, unsere Kleidung nicht mehr per Hand am Bottich waschen zu müssen.
Die Auswirkungen von Smartphones auf die Psyche des Menschen sind vielfach untersucht worden. Die Bandbreite der Gefahren reicht von Reizüberflutung, Erschöpfungszuständen und negativen Auswirkungen auf unseren Schlaf über gestörte Face-to-face-Kommunikation bis hin zu Unfällen, weil wir ständig abgelenkt werden.
Vor ein paar Jahren noch traf man sich zum Austausch in der Kneipe oder auf dem Markplatz, heute trifft man sich auf Facebook. Also nimmt es uns doch nur Arbeit ab? Die Arbeit, sich aus dem Haus zu bewegen oder zu verabreden? Was war vorher da? Das Bedürfnis nach Neuigkeiten? Oder hat uns die Verfügbarkeit von neuen Reizen abhängig gemacht? Weil sich hinter jedem Klick ein neuer Reiz befindet; weil Infinite Scrolling dazu verführt, das Handy niemals aus der Hand zu legen; weil wir Tätigkeiten wie Putzen verlernen, weil der Roboter das für uns erledigt? Das Lesen von Landkarten, weil das Navi den Job übernimmt? Schreiben mit der Hand, weil Sprachsteuerung alles ist?
Ein Gadget, das ein Bedürfnis erst weckt und uns dann abhängig macht – macht uns das irgendwann krank? Alles halb so schlimm, sagt das Bundesministerium für Bildung und Forschung. „Die Digitalisierung entlastet die Menschen in ihrem Alltag spürbar. Innovative Lösungen machen das Leben sicherer und komfortabler: Sie fördern die Gesundheit, unterstützen zu Hause oder unterwegs im Straßenverkehr.“
Wenn wir eine Liste von Gadgets erstellen würden, die uns in den vergangenen, sagen wir fünfzig Jahren das Leben erleichtert haben, fällt eines auf: Sie lassen sich in zwei Kategorien einteilen: In solche, die uns Arbeit abnehmen, und in solche, die Bedürfnisse stillen, von denen wir noch nicht wussten, dass wir sie haben. Ein Fotoapparat ist ein technisches Gadget, erst analog, dann digital. Nimmt es uns Arbeit ab? Vielleicht, weil wir Bilder nicht mehr mit der Hand, sondern mit dem Licht malen können. Durch den Laptop können wir im Handumdrehen Texte erstellen und verschicken, ganz ohne den Umweg über die Post. Schwieriger wird es bei den Mischprodukten, die mehr können als nur eine Sache. Das Smartphone verknüpft den Fotoapparat mit dem Telefon mit dem Navi mit dem Postfach und vor allem mit dem Zugriff auf soziale Netzwerke.
Wann ist ein Gadget also ein Diener und wann macht es uns von sich abhängig? Entscheidend ist hier vielleicht auch der Grad der Vernetzung. Wenn immer mehr Informationen von uns preisgegeben werden, wenn wir eingebunden sind in ein Geflecht aus anderen Gadgets und Nutzern, das es uns unmöglich macht, daraus auszubrechen, ohne dass unser Sozialleben Schaden nimmt. Wenn also nicht der vernetzte Mensch die Ausnahme ist, sondern derjenige, der kein Gadget nutzt, denn er wird die Einladung zum gemeinsamen Laufen womöglich nicht mehr bekommen.
Wie der Soziologie und Technologieberater Felix Sühlmann-Faul schreibt: „Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein. Technologie – das schließt die Digitalisierung mit ein – ist stets ein Werkzeug und kann zum Ziel für eine nachhaltigere Welt durchaus Verwendung finden.“
Spätestens, wenn der erste Mensch in seiner Wohnung kurz vor dem Verhungern gerettet werden muss, weil sein vernetzter Kühlschrank „vergessen“ hat, Essen beim Lieferservice nachzubestellen, müssen wir uns Gedanken machen.
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