9. September 2019
Die vierte industrielle Revolution – in Deutschland Industrie 4.0 getauft – formiert mit einer Veränderung der Triebkräfte für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit die Wirtschaftslandschaft neu. Unternehmen, die wirtschaftlich weiterhin erfolgreich sein wollen, können nicht mehr nur auf Effizienz und Kostensenkung setzen.
Innovation, Flexibilität und Anpassung an den Wandel sind künftig die zentralen Faktoren für wirtschaftlichen Erfolg. Wenn der Wandel die einzige Konstante ist, dann haben diejenigen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil, die in der Lage sind, schneller neue Ideen, Methoden oder Produkte einzuführen. Daher ist es wichtig, die Chancen der digitalen Transformation zu nutzen und Innovationen zu ermöglichen, die das Wachstum beschleunigen und die Produktivität steigern können.
Die Rahmenbedingungen dafür sind ideal in Deutschland – eigentlich muss man nur noch machen. Deutschland besetzt die europäische Spitzenposition im Ranking des World Economic Forum bei der Wettbewerbsfähigkeit und rangiert weltweit auf Platz drei. Das Land zeichnet sich vor allem durch sein Innovationsökosystem aus und nimmt weltweit die Spitzenposition in der Säule Innovationsfähigkeit ein.
Dieses Ergebnis basiert auf einer starken Leistung bei Patenten und Forschungspublikationen, hochrangigen Forschungseinrichtungen und einer anspruchsvollen Käuferschaft, was wiederum dazu führt, dass Unternehmen unter einem hohen Innovationsdruck stehen. Innovatoren können von einem dynamischen Geschäftsumfeld profitieren, um ihre Innovationen auf den Markt zu bringen. Zudem stützt sich Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit auf solide Fundamentaldaten wie stabile makroökonomische Rahmenbedingungen sowie eine gut ausgebildete und hochqualifizierte Bevölkerung.
Hingegen besteht bei der Einführung von Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) noch erheblicher Nachholbedarf, wodurch es im weltweiten Ranking auch nur für Platz 31 reicht. Kritische Punkte sind hier vor allem der Bereich des mobilen Internets und die flächendeckende Bereitstellung von modernster IKT-Infrastruktur für Glasfaserverbindungen.
Viele Unternehmen tun sich in der Regel schwer, wenn es um die Erschließung neuer, zukunftsorientierter Geschäftsmodelle geht. Digitale Prozesse und Geschäftsmodelle erfordern ein Aufbrechen von Silos in Unternehmen sowie ein konzertiertes Handeln, um das gesamte Potenzial der digitalen Transformation auch wirklich voll ausschöpfen zu können. Damit ein digitaler Wandel aber nachhaltig gelingt, bedarf es mehr als nur der Einführung von z. B. agilen Arbeitsmethoden. Vielmehr muss die gesamte Organisation ihre bestehenden Hierarchien überdenken, um flexibler und schneller auf notwendige Veränderungen der digitalen Transformation reagieren zu können.
Zu einer bewährten Methode zählt auch Open Innovation – also die aktive strategische Nutzung der Außenwelt zur Vergrößerung des Innovationspotenzials. Unternehmen haben erkannt, dass die Technologiezyklen immer kürzer werden und die zu entwickelnden Produkte und Dienstleistungen vielfältige Fähigkeiten und Kompetenzen erfordern, die oftmals nicht im Unternehmen vorhanden sind. Zudem hilft in vielen Fällen der entscheidende Anstoß von außen, um neue Ideen und Technologien so einzusetzen, dass ein Mehrwert für die Organisation oder die Kunden entsteht.
Dazu kann sich eine Kooperation mit Forschungsinstituten, Universitäten, Start-ups und externen Spezialisten als fruchtbar erweisen. Doch auch im digitalen Zeitalter gilt, dass Partnerschaften professionell geführt werden müssen und neben dem organisatorischen und technischen Rahmen vor allem die soziale Kompetenz der Beteiligten eine zentrale Rolle für den Projekterfolg spielt.
Was passieren kann, wenn Unternehmen es versäumen, innovativ zu sein, und welche Lehren sich daraus ziehen lassen, verdeutlichen die Beispiele von Nokia und Kodak.
Nokia entstand in Finnland als Papierfabrik. In den 1960er-Jahren wechselte der Fokus auf Elektronik. Im Jahr 1981 fertigte Nokia die ersten Autotelefone. In den späten 1990er- und frühen 2000er-Jahren war Nokia der weltweit führende Anbieter von Mobiltelefonen und machte astronomische Gewinne. Dann drängten Hersteller auf den Markt, die sich auf das Internet konzentrierten und verstanden, dass Daten und nicht Sprache die Zukunft der Kommunikation sein werden.
Nokia konzentrierte sich nur auf Hardware, anstatt auf Software bzw. die Entwicklung eines App-Ökosystems, und wurde schließlich von den technologischen Entwicklungen überrollt. Einer der großen Fehler von Nokia war, dass es seine Smartphone-Plattform nicht rechtzeitig vom ursprünglichen Symbian-Betriebssystem auf das MeeGo der nächsten Generation übertragen hat.
Ähnlich erging es auch Kodak, wo man sich weiterhin auf analoge Kameras konzentrierte, anstatt sich zügig für die digitale Zukunft aufzustellen. Kodak kannte die Technologie fast 20 Jahre, bevor der Verkauf von Digitalkameras im Jahr 2002 das analoge System in den Hintergrund rückte. Im Jahr 1981 führte das Unternehmen eine Studie durch, aus der hervorging, dass rund zehn Jahre Zeit bleiben, um sich auf den Übergang zur digitalen Fotografie vorzubereiten. Laut dem Kodak-Ingenieur Steve Sasson, der 1975 die erste Digitalkamera erfand, reagierte die Unternehmensführung auf seine Erfindung mit den Worten: „Das ist süß – aber erzählen Sie niemandem davon.“ Der Erfinder konnte keinen bei Kodak vom Potenzial seiner Innovation überzeugen. Später brachten Sony und andere Hersteller preiswerte Digitalkameras auf den Markt – und das Momentum von Kodak war dahin.
Beide Unternehmen hatten also ihr Geschäftsmodell zu eng definiert, sich nicht rechtzeitig breit genug aufgestellt und in neue Technologien investiert, um auf die Veränderungen der Kundenbedürfnisse adäquat reagieren zu können. Nokias frühe Innovationsgeschichte konnte die Selbstgefälligkeit und die Bindung des Unternehmens an die Hardware nicht überleben. Man hat sich auf dem Erfolg ausgeruht, anstatt effektiv für zukünftige Fortschritte zu planen.
Ebenso haben es die Führungskräfte von Kodak versäumt, den Mitarbeitern zu helfen, die digitale Technologie als Chance zu sehen. Vielmehr sah man die digitale Fotografie als Bedrohung für das chemiebasierte Film- und Papiergeschäft an, das die Umsätze und Gewinne von Kodak jahrzehntelang angetrieben hatte.
Keine Frage, Innovationen können als bedrohlich empfunden werden. Doch manchmal muss man ein Produkt oder eine Dienstleistung auch einfach hinter sich lassen, während man sich mit etwas Neuem aufmacht in eine ungewisse Zukunft. Wer nichts riskiert, kann bekanntlich nichts gewinnen – aber durch Stillstand auch viel verlieren. Daher sind Schnelligkeit, Mut und Wendigkeit gefordert, um im digitalen Zeitalter relevant zu bleiben.
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